Wer von Ihnen erinnert sich? An die alten Schwarzweissfotos, auf denen Damen in 1920er Mode mit weißen Sonnenschirmchen die große Treppe zum Juister Strand hinunterflanierten? Mit eleganten Herren in Anzug und Hut als ihre charmanten Begleiter. Bilder von Badenden am Strand, in blau und rot gestreiften Badeanzügen, so stellen wir es uns vor. Die Haare der Damen hochgesteckt oder unter einer großen Badekappe versteckt. Strandzelte, Fähnchen im Wind, Bollerwagen mit Proviant für den Strandtag. Das weiß erstrahlende Kurhaus, wie es auf der Promenade thront, damals noch voll mit Wannen und Anwendungsuntensilien für die Kur am Meer. Rauschende Feste im Kursaal des Grand Hotels... längst vergangene Zeiten, die doch zu Juist gehören wie die Sturmfluten und Unendlichsommer unserer Kindheit.
Die goldenen 1920er erleben jetzt im neuen Jahrzehnt ein Revival. Zu den 1920ern gehörte auch die Salonkultur, die sich seit einigen Jahren wieder wachsender Beliebtheit erfreut. Bietet sie doch die Möglichkeit zu echten Begegnungen abseits der Digitalisierung.
Die Berliner Professorin Dr. Stefanie Molthagen-Schnöring hat die Juister Salongespräche bereits im August 2018 ins Leben gerufen, denn sie meint: „Wir brauchen das Gespräch mit anderen, um Informationen einordnen, Fragen stellen und ein Thema tiefer durchdringen zu können. Salons bieten genau das.“
Dr. Stefanie-Molthagen-Schnöring ist Professorin für Wirtschaftskommunikation an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin. Sie forscht und lehrt zu Kommunikationsmanagement, politischer Kommunikation und Kommunikation in der Vertrauenskrise. Seit April 2019 ist sie Vizepräsidentin für Forschung und Transfer.
Weil sie seit ihrer Kindheit mehrmals im Jahr nach Juist reist, hat sie sich unser kleines Juist für den Ort der Salongespräche ausgesucht. Hier, abseits des Alltags und mit einem vom Nordseewind frei gepusteten Geist kann es schon sein, dass das Denken klarer und die Sicht weiter wird.
In der Trendstudie „Events der Zukunft“ des Zukunftsinstituts aus dem Jahr 2019 wird die Salonidee als eine „Renaissance des Schönen, Guten und Wahren“ gelobt. Und weiter: „Eine öffentliche Welt trifft sich an einem privaten Ort.“ Juist ist so ein Ort, der prädestiniert ist für Gespräche und Podiumsdiskussionen über Kunst, Kultur und Politik.
Zwischen 20 bis 40 Gäste und Insulaner wohnen den Juister Salongesprächen bei. Darin tauschen sie sich zu vorgegebenen politischen und gesellschaftlichen Themen aus. Es gibt jeweils einen kurzen Impulsvortrag, an den sich die offene Diskussion anschließt.
Die Abende werden von Dr. Stefanie Molthagen-Schnöring und ihrem Ehemann Dr. Dietmar Molthagen moderiert. Molthagen leitet das Julius-Leber-Forum der Friedrich-Ebert-Stiftung in Hamburg und ist nebenberuflich Lehrbeauftragter für politische Kommunikation. Er engagiert sich zudem in einer Kulturförderstiftung und ist seit knapp 10 Jahren begeistert von Juist. Ihr gemeinsames Buch „Lasst uns reden! Wie Kommunikation in Politik, Wirtschaft und Medien gelingen kann“ erschien im Herbst 2019.
Dieses Jahr gibt es drei Salongespräche zu folgenden Fragestellungen:
1. Termin: 22. Februar 2020: Brauchen wir heute (noch) Parteien?
Parteien haben einen schlechten Ruf: Das Vertrauen in sie ist niedrig, die Mitgliederzahlen sind rückläufig, öffentlich präsent sind vor allem Macht- und Personalquerelen. Kann man angesichts dessen auf Parteien verzichten? Oder ist der Ruf von Parteien schlechter als ihre Lage? Wir diskutieren über die Rolle von Parteien bei der politischen Willensbildung und Entscheidungsfindung, blicken auf aktuelle gute und schlechte Beispiele aus der Praxis deutscher Parteien und überlegen, was die Krise der Parteien für unsere Demokratie bedeutet.
2. Termin: 15. September 2020: Wie verändert sich Öffentlichkeit?
Was ist eigentlich die Öffentlichkeit? Gibt es sie nur einmal oder bestehen mehrere Öffentlichkeiten nebeneinander? Leben wir heute alle in technisch verursachten Filterblasen – und war das früher eigentlich anders? Welche Bedeutung haben der Wandel der Medienlandschaft und die Digitalisierung von Informationen für unsere demokratische Öffentlichkeit? Diesen Fragen widmet sich der Salonabend, bei dem wir sicherlich nicht alle Antworten finden, aber eine Reise durch die Veränderung der deutschen Öffentlichkeit der vergangenen 50 Jahre wagen und diskutieren, wie wir die gegenwärtige Öffentlichkeit wahrnehmen, was wir daran kritisieren und was schätzen.
3. Termin: 29. Dezember 2020: Sind soziale Medien (a-)sozial?
Die mit sozialen Medien verbundenen Hoffnungen waren groß: Jede/r kann die eigenen Gedanken veröffentlichen, alle können mit allen kommunizieren und all das zu geringen Kosten. Mittlerweile sind wir ernüchtert: In sozialen Medien finden sich Hass und Hetze, die Debattenkultur wurde nicht besser, sondern gehetzter und emotionaler und wenn wir auch nicht mit Geld für die Nutzung von sozialen Medien bezahlen, so tun wir dies mit unseren Daten. Aber trotzdem nutzen Millionen Deutsche jeden Tag facebook, Twitter & Co, die aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken sind. Bei diesem Salongespräch sprechen wir über die Bedeutung sozialer Medien für die zwischenmenschliche und die gesellschaftliche Kommunikation und analysieren ihre reale und ihre gefühlte Bedeutung.
Was meinen Sie, sind Sie dabei? Alle Salongespräche sind kostenfrei und finden von 20:00 Uhr bis 21:30 Uhr im Haus des Kurgastes statt. Die Maximale Teilnehmerzahl liegt bei 30 Personen.
Lassen Sie uns die goldenen 20er wieder beleben. Modern, lebendig - mit einem Hauch von Nostalgie.